Adolphe Adam et al.: »Le Corsaire«
Wiener Staatsballett
Von Ulrike Klein
Im Haus am Ring zuletzt im Oktober 2016 getanzt, kehrt uns Manuel Legris’ Fassung von Le Corsaire für eine Serie in unterscheidlichen Besetzungen wieder. Zwischenzeitlich gastierte die Compagnie mit der Produktion in Japan, so daß die letzte Einstudierung und Probenphase nur ein Jahr zurückliegt. Daher verwundert es umso mehr, daß es besonders, aber nicht nur, im corps de ballet so viele Ungenauigkeiten gibt. Da steckt einiger Wüstensand im Getriebe… Hoffen wir, daß dieser in den nächsten Vorstellungen von den Meeresströmungen ausgespült wird.
Dennoch war die Freude im Publikum groß, diese Choreographie wieder erleben zu dürfen. Handlungsballette werden in Wien eben sehr geschätzt. Und es müssen nicht immer die drei großen Tschaikowski-Abende sein.
Zum Einstieg in die Serie setzt Manuel Legris auf bewährte Besetzungen der Hauptpartien, bevor dann in den Folgevorstellungen andere Solisten des Hauses zum Zuge kommen.
Einzig Géraud Wielick debutierte an diesem Abend: in der sehr anspruchsvollen Partie des Lanquedem. Das Adrenalin war bis in die hintersten Reihen des Zuschauerraums zu spüren. Da schwitzte ein junger Tänzer Blut und Wasser — und schlug sich achtbar. Nach sehr guten anderen Abenden wissen wir, daß hier Potential vorhanden ist. Und in weiteren Vorstellungen wird die Nervosität sinken und damit mehr Ruhe einkehren. Ja, die Partie ist kraft- und schwungvoll. Aber die Dosierung macht es aus. Es kann passieren, daß Schlußposen verrissen werden. Es sollte nicht passieren. — Immerhin war der Mut da, alles zu geben und nicht fad auf Vorsicht zu tanzen.
Mit Davide Dato und Ioanna Avraam sind die Rollen des Birbanto und der Zulméa bestens besetzt. Dato beeindruckt immer wieder auf’s Neue mit einer stupenden Fuß-und Beinarbeit. Da wirkt nichts verwischt, die Positionen sind immer klar und sauber. Und auch Avraam ist ein Garant für gute Leistungen.
Nina Poláková als Médora und Denys Cherevychko als Conrad setzten an diesem Abend den Maßstab für die Serie: Unglaublich, was die beiden Ersten Solisten boten. Wunderschöne Linien, atemberaubende Tempi, herausragende Soli und berührende pas de deux. Nach vielen gemeinsamen Vorstellungen kennt man einander so gut, daß geführte Touren, Hebungen, etc. wie selbstverständlich wirken. Da werden kleine Ungereimtheiten, die es immer gibt, sofort ausgeglichen, sodaß ein Großteil des Publikums wahrscheinlich gar nicht merkt, daß in diesem speziellen Moment etwas anders war als geplant. Das Feuerwerk, da die beiden im großen pas de deux des zweiten Aktes zündeten, war beeindruckend! (Da sehnt man sich nach einer Wiederholung.)
Gegenüber diesen beiden fiel Kiyoka Hashimoto als Gulnare leider etwas ab. Die Partie gibt wesentlich mehr her, als uns an diesem Abend geboten wurde. Das Solo im ersten Akt war gut getanzt, aber von beeindruckend weit entfernt. Und auch das Spiel mit Seyd Pascha — Mihail Sosnovschi, wie immer stark im Ausdruck — müsste viel betörender sein.
Die Besetzung der drei Odalisken las sich ja sehr vielversprechend: zwei neue Erste Solistinnen und eine Solistin. Leider wurde das Versprechen dann nicht eingelöst. Weder Nikisha Fogo noch Natascha Mair konnten überzeugen. Beide wirkten eher blaß in ihren Soli. Besser war da Nina Tonoli: Zwar tanzte auch sie nicht auf dem Niveau, das wir schon von ihr gesehen haben; aber die Linienführung der Arme und des Kopfes sind positiv zu erwähnen.
Valery Ovsyanikov am Pult des Staatsopernorchesters, mit Fedor Rudin als Konzertmeister, sorgte für den richtigen Schwung im Graben und bot so sehr umsichtig den klanglichen Boden für die Tänzer. Ein hervorragender Dirigent für das Ballett.