Richard Wagner:
»Das Rheingold«
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
Man kennt das: In Erwartung betrat man das Haus; gespannt auf das nun Folgende. Aber es ereignet sich nicht. Der Abend entzieht sich emotionaler Beteiligung. Durchaus nicht immer; — aber zu großem Teil.
II.
Ein Grund dafür war die Leistung des Staatsopernorchesters. Wer die Konzerte zum Jahreswechsel unter Christian Thielemann verfolgte, weiß, zu welch ausgefeilter, feiner Phrasierung die Holz- und Blechbläser fähig sind. Davon war an diesem Abend, in Ausübung des Brotberufes, wenig zu hören. Schon das Vorspiel geriet unruhig — und von Beginn an viel zu laut. (Als habe Richard Wagner musikalisch den »Ol’ Man River« gemalt, nicht den Rhein.) Rheingold- und Walhall-Motiv, der Einzug der Götter in Walhall wurden exekutiert. Nicht gesungen. Sollte dies alles gewesen sein, was Axel Kober am Pult an Gestaltung zur Verfügung steht? Wird Wien nun Bayreuth?
III.
Auch die Rheintöchter — Ileana Tonca als Woglinde, Stephanie Houtzeel als Wellgunde und Bongiwe Nakani als Flosshilde — haben nicht ihren besten Abend. Zwar bilden sie mit Jochen Schmeckenbecher als Alberich ein eingespieltes Quartett, doch gebricht es auch dieser Szene an vokaler wie schauspielerischer Dringlichkeit; Eindringlichkeit. Diese Rheintöchter sehrt nicht die Sorge. Auch der Alberich des Abend wußte Liebes- wie Ringfluch in hinabgesunkenen Tagen mit größerer Eindringlichkeit zu vermitteln. Glaubhafter vor allem.
IV.
Die Fricka der Sophie Koch begrüßte ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wie schön, in dieser Partie zur Abwechslung eine Sängerin mit klarer Diktion und gut geführter Stimme zu hören! Doch fürchte ich: Hier gehen wir eines weiteren Octavian, einer für Qualität bürgenden Charlotte verlustig. Auch ist die Partie der Fricka eine vertrackte: Nach eineinhalb Bildern Pause gilt es im Finale noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren. (Eventuell sogar, sich neu einzusingen.)
V.
Tomasz Koniezcny als Wotan hinterließ mir einen zwiespältigen Eindruck: Es ist immer begrüßenswert, wenn eine Partie vornehmlich mit der Stimme gestaltet wird, die leisen Stellen zu ihrem Recht kommen. Doch schien mir Konieczny gestern nicht auf der Höhe seiner Kunst, sein polnischer Akzent doch stark. Dieser Wotan glaubt nicht an die Wirksamkeit der Posen, welche Fricka, Freia und er beim Erscheinen der Riesen einnehmen. Wotan gerät mir an diesem Abend im Stimmlichen zu klein. Ist zu sehr in Loges Hand.
VI.
Clemens Unterreiner ist ein glaubwürdiger Donner; gefällt stimmlich viel besser als letztes Mal. (Wiewohl ich bei meiner Einschätzung bleibe, daß dies nicht sein angestammtes Fach ist. Aber das wäre dem Besetzungsbüro vorzuwerfen, nicht dem Sänger.) Auch sein Kollege Jörg Schneider singt den Froh sehr textverständlich; weiß zu phrasieren; hinterläßt ebenfalls einen vortrefflichen Eindruck. — Etwas, daß ich von Anna Gabler als Freia nicht berichten darf: Gablers Stimme schreit ihre Überforderung bereits mit den ersten Phrasen ins dunkle Rund. (Weißt du, wie das wird?)
VII.
Jongmin Park und Fasolt: meine erste Begegnung mit dieser Konstellation. Und ein weiteres Beispiel, daß Richard Wagner wußte, was er verlangte, als er für seine Opern auf Sänger mit stimmtechnischem Vermögen bestand: Man kann Wagners Musik durchaus legato und mit portamento singen. Park versteht sich darauf. Besser als viele andere. (Das ist es.)
Sorin Coliban als Fafner: für mich seine beste Partie; auch wenn stimmliche Einwände vorzubringen sind. Zum Beispiel, daß Wagner die Schläge, mit welchen Fafner sich seines Compagnons entledigt, in der Partitur notierte. Ich hätte es gerne gesehen.
VIII.
Monika Bohinecs Interpretation der Erda läßt keine Zweifel, daß Wagner diese Partie mit einem tiefen Sopran seiner Zeit besetzt sehen wollte. Also einem, der das Brusrtregister einzusetzen versteht. Einiges wäre zu gewinnen, vermochte sich das Besetzungsbüro dieser Ansicht anzuschließen. Bedenkt man, daß hier die zukünftigen Eltern »eines kräftigen Kindes« einander das erste Mal begegnen, muß Bohinec’s Erda (gut) verborgene Qualitäten besitzen…
IX.
Der Loge des Norbert Ernst überzeugt — vor allem im Nibelheim-Bild — mit sorgfältig gesetzten Gesten. (Herwig Pecoraro gibt hier einen unauffälligen Mime. Paßt sich der Leistung seines Bruders an.) Schauspielerisch hat Ernst sich die einst für Adrian Eröd konzipierte Partie über Jahre zu eigen gemacht; bietet vieles. Im Gesanglichen: — überzeugt er nicht so sehr. Loges Schluß-Monolog beispielsweise, war, als ich das letzte Mal nachsah, nicht als Melodram gekennzeichnet. Das hätte man gerne auch so gehört. Das Stimmliche betreffend, empfing ich schon stärkere Eindrücke. Auch von Ernst.
X.
Ein Abend der Beobachtung also; nicht des Mitlebens.
Bedenkenswert.