Richard Strauss: »Daphne«
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
II.
Der Gründe dafür sind — viele. Zum ersten die Erkenntnis, daß man Werke wie dieses nicht ohne ausreichende Proben aufführen kann. Zum zweiten, daß es — bei der Komplexität der Partitur — der besten Kräfte bedarf. Nicht nur auf der Bühne, auch im Graben. Daran zu sparen heißt, Daphne den Weg ins Repertoire zu verwehren.
III.
Pet Halmens Ausstattung verlegt die Handlung in einen dem Musik-Salon der Villa Stuck in München angelehnten Raum. Läßt die Hausfrau Daphne in ihre Träume eintauchen, Wirklichkeit und Einbildung sich miteinander vermischen. Nicolas Joëls Regiekonzept wurde dargebracht mit Händeringen und Rampensingen. Mehr kann man bei Daphne offenbar nicht tun.
Daphnes Verwandlung: eine ionische Säule anstelle eines Lorbeerbaumes. Aber: Man spielte Daphne. Dafür sei man bedankt.
IV.
Auch, und allerdings: Man sparte beim singenden Personal. Janina Baechle mühte sich als Gaea mit den tiefen Tönen. Dan Paul Dumitrescu war ein liebenswürdiger Peneios ohne allzu große Durchschlagskraft.
(Im Laufe der Begebenheiten wird das alles klar werden.)
V.
Benjamin Bruns gab erstmals in Wien den in Daphne verliebten Leukippos, mit auffallend dunklem Timbre und an Mozart geschulter Stimme. Er möge sich des Salzburgers Partien noch lange erhalten. Nachvollziehbar Bruns’ Werben, stark sein Spiel. (Daß er, nachdem er Apollo geschaut, den richtigen Moment zum Abgang versäumte: läßliches Mißgeschick.) Benjamin Bruns als Leukippos: eine Entdeckung.
VI.
Es gibt leichtere Partien als den Apollo. Schon gar für ein Haus-Debut. Und es gibt derzeit wohl nur wenige Tenöre, welche den Apollo gleich Andreas Schager singen können: Der Niederösterreicher lieh dem Gott des Lichtes erstmals in Wien seine Stentorstimme.
Unerschöpflich scheinen Schagers Kraftreserven. Und: Seine Stimme klingt im tiefen und mittleren Register überraschend dunkel. Nur den Höhen eignete die klare, strahlende Helle. Ohne merkbare Anstrengung wechselte Schager die Register. So dargebracht, erweckt die Partie des Apollo fast den Anschein einer Einsingübung. … Daß Schager die stimmliche Vornehmheit der Bothaschen Interpretation nicht zu Gebote steht: — ein läßlicher, fast schon unzulässiger Einwand.
VII.
Wie bereits bei den Vorstellungen in Cleveland unter Franz Welser-Möst im Mai 2015 war auch diesmal Regine Hangler Schagers Daphne: — bei ihrem Rollen-Debut im Haus am Ring. Hangler begann den Abend vorsichtig, tastete sich an die Partie heran. Allein: Mit Fortdauer des Abends wurde deutlich, daß Hanglers Stimme, sobald sie forcierte, des öfteren im hohen Register den Focus einbüßte, schrill klang. Und im tiefen Register nicht das notwendige Volumen zu entwickeln vermochte.
(Im Laufe der Begebenheiten wird das alles klar werden.)
Die Wortdeutlichkeit, sonst doch Hanglers große Stärke (etwa in der Partie der Marianne Leitmetzerin): Gestern ließ sie zu wünschen übrig. In manchen Passagen klang der Oberösterreicherin Stimme zu schwerfällig, ließ den silbrigen Strauss-Klang vermissen. Zeichen von Überforderung? Und: Darf man annehmen, daß die Daphne der »Strauss-Tage« noch mit Franz Welser-Möst am Pult geplant waren? (Dies erklärte Hanglers Besetzung.)
VIII.
Nun stand, wie bereits im Dezember 2011, Simone Young am Dirigentenpult. Man hörte es. Das Staatsopernorchester klang durchwegs (zu) rauh — und zu laut. Dazu gesellten sich nach verheißungsvollem Beginn Intonationsproblme bei den Bläsern, schlichen sich immer wieder Unsauberkeiten ein. Fast schien es, als ob man sich mit den »Strauss-Tagen« und der gleichzeitigen Vorbereitung der Première von Lulu zuviel vorgenommen hätte.
Und Young? Defizite in der Agogik und Dynamik ließen die Sänger nicht im besten Licht erscheinen. Ermüdeten das Publikum. … Bedenkenswert ersteres — unentschuldbar: zweiteres.
IX.
Ich glaube an das Potential der Oper. Daran, daß Daphne im Repertoire der Wiener Staatsoper eine Heimstatt finden kann. Allerdings bedarf es für den Prozeß der Verankerung der besten Kräfte.
Wenn denn die gestrige Vorstellung, wie Dominique Meyer in der aktuellen Ausgabe des »Prolog« schrieb, »als Visitenkarte der Wiener Staatsoper zu verstehen« sein soll, wäre die Anschaffung neuer Visitenkarten angezeigt. Die vorhandenen sähen nämlich zwar noch brauchbar, aber schon ein bisserl abgegriffen aus.