»Marguerite and Armand« — Liudmila Konovalova (Marguerite) und Jakob Feyferlik (Armand) in Sir Frederick Ashtons 1963 geschaffener Liebeserklärung an Margot Fonteyn © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Marguerite and Armand« — Liudmila Konovalova (Marguerite) und Jakob Feyferlik (Armand) in Sir Frederick Ashtons 1963 geschaffener Liebeserklärung an Margot Fonteyn

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

MacMillan | McGregor | Ashton

Wiener Staatsballett

Von Ulrike Klein

Im Herbst 1967 erlebte das Haus am Ring vier Vorstellungen von Sir Frederick Ashtons Marguerite and Armand mit dem Paar, für das es geschaffen wurde: Dame Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew. Zu Ehren des fünfzigjährigen Jubiläums programmierte Manuel Legris einen englischen Abend mit Arbeiten der choreographischen Meister Sir Kenneth MacMillan und Sir Frederick Ashton sowie Wayne McGregor.
Es ist die erste Première des Wiener Staatsballetts in der Staatsoper in der Saison 2017/18.

Sir Kenneth MacMillan: »Concerto«

Concerto (aus dem Jahr 1966) von Sir Kenneth MacMillan zum Klavierkonzert Nr 2 in F-Dur, op. 102, von Dimitri Schostakowitsch eröffnete den dreiteiligen Abend. Den temperamentvollen Pas de deux im ersten Satz bestritten Nikisha Fogo und Denys Cherevychko. Es war ein Feuerwerk an Sprüngen, Drehungen und Richtungswechseln.

Nina Polakova und Roman Lazik kam die Ehre zu, den wunderbaren zweiten Satz zu tanzen. Ruhig und sehr gezielt zeigten die beiden ersten Solisten ihr Können. Klare Linien dominierten diesen Pas de deux.

Sir Kenneth MacMillan: »Concerto« — Nina Poláková und Roman Lazik im zweiten Satz (»Andante«) von Dmitri Schostakowitschs Klavierkonzert Nr. 2 in F-Dur, op. 102 © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Sir Kenneth MacMillan: »Concerto« — Nina Poláková und Roman Lazik im zweiten Satz (»Andante«) von Dmitri Schostakowitschs Klavierkonzert Nr. 2 in F-Dur, op. 102

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Ursprünglich war auch für den Schlußsatz ein Pas de deux geplant. Da der Tänzer der Uraufführung ausfiel, änderte MacMillan sein Vorhaben und wandelte seine Choreographie in ein sehr anspruchsvolles Solo für eine Solistin. Alice Firenze nahm die Herausforderung an.

Ein sehr präzise einstudiertes Corps de ballet komplettierte den Eindruck dieses furiosen Excercise. Es gab Momente, da war noch zu viel Kopfarbeit zu sehen, zu viel Überlegung, wohin die nächste Wendung gehen sollt. Da wird es sicher noch einige Vorstellungen dauern, bis die Schrittkombinationen so verinnerlicht sein werden, daß der Ablauf selbstverständlich erscheinen wird.

Wayne McGregor: »Eden|Eden«

Nach der ersten Pause erwartete das Publikum eine optische und auch akustische Herausforderung. Zur Musik von Steve Reich, Dolly aus Three Tales, erschuf Wayne McGregor im Jahr 2005 sein Ballett Eden|Eden. Wie immer, wenn die Musik vom Band eingespielt wird, geschah dies mit zu großer Lautstärke — leider.

Unterstützt von Texten und Videoinstallationen, beschwört McGregor eine utopische Welt herauf: Künstliche Menschen, Roboter, Klone bewegten sich auf der abgedunkelten Bühne. Einzelne Solisten traten hervor und verschwanden wieder in der amorphen Masse.

Natascha Mair eröffnete das Stück. Sie wirkte fast wie aus Gummi geformt mit ihren überdehnt scheinenden Gliedern. Dagegen verkörperte Rebecca Horner eher das Harte einer Maschine. Auch Nikisha Fogo und das neue Ensemble-Mitglied Madison Young fügten sich in diese unwirkliche Welt ein. Letztere fiel vor allem durch ihre Präzision auf.

Wayne McGregor: »Eden|Eden« — Tristan Ridel, Masayu Kimoto und Deny Cherevychko © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Wayne McGregor: »Eden|Eden« — Tristan Ridel, Masayu Kimoto und Deny Cherevychko

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Denys Cherevychko und Masayu Kimoto glänzten durch Kraft und Exaktheit. Andrés Garcia-Torres, Tristan Ridel und Zsolt Török bestanden neben den beiden ersten Solisten auf eindrucksvollem Niveau. Alle neun Solisten fügten sich zu einem großen Ganzen zusammen, Paare bildeten sich, solistische Partien wechselten mit Ensemble-Szenen. Und alles mit schier unmenschlich scheinender Bewegungssprache.

Sir Frederick Ashton: »Marguerite and Armand«

Last but not least, Marguerite and Armand von Sir Frederick Ashton: jenes Stück, welches wohl die meisten Besucher des Abends lockte. Im März 1963 zur Klaviersonate in h-Moll von Franz Liszt (arrangiert von Dudley Simpson) für das damalige Traumpaar der Ballettwelt, Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew, choreographiert, wurde Ashtons Choreographie zu einem Klassiker.

Liudmila Konovalova interpretierte die Pariser Kurtisane mit unglaublicher Anmut. Es brauchte nur wenige Augenblicke, und sie fing den Zuschauer ein, ihr Leben und Lieben mitzuerleben. Konovalova tanzte auf herausragendem Niveau, wie wir es von ihr gewohnt sind. Sie zeigte aber auch, daß es zu einer großen Tänzerin mehr braucht als nur bravouröse Schrittkombinationen. Wie sie den Wandel von der umschwärmten Lebedame zur liebenden und dann entsagenden jungen Frau gestaltete, war große Kunst.

Ihr Armand war der junge Solist Jakob Feyferlik. Den unerfahrenen jungen Mann zu spielen, der sich in die wunderschöne Frau verliebt, gelang ihm sehr gut. Hier kam ihm vielleicht gerade seine Jugend zu Gute. Und ja, trotz der noch jungen Karriere war Feyferlik seiner Marguerite ein guter Partner. Sehr sicher wirkten die Hebungen, die geführten Drehungen. Auch seine Soli meisterte er auf erstaunlichem Niveau. Daß er hin und wieder wie ein junges Füllen wirkte, war in dieser Partie kein Fehler. Da durfte ruhig der jugendliche Überschwang vorhanden sein.

»Marguerite and Armand« — Liudmila Konovalova (Marguerite) und Jakob Feyferlik (Armand) in Sir Frederick Ashtons 1963 geschaffene Liebeserklärung an Margot Fonteyn © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Marguerite and Armand« — Liudmila Konovalova (Marguerite) und Jakob Feyferlik (Armand) in Sir Frederick Ashtons 1963 geschaffene Liebeserklärung an Margot Fonteyn

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Mit nobler Grandesse gab Vladimir Shishov den Vater Armands. Mit der langjährigen Bühnenerfahrung zeichnete er die Figur … den Vater, der seinen Sohn schützen möchte. Shishov verlieh ihm auch eine liebenswerte Note: Vermittelte er doch den Eindruck, Marguerite nicht nur ablehnend gegenüberzustehen, sondern schon beim erstem Treffen auf dem Lande Mitgefühl entgegenzubringen.

Wer die Photos oder die Aufnahme der Uraufführungsbesetzung kennt — oder gar das Glück hatte, sie zu erleben —, weiß, wie schwer es ist, diese Herausforderung anzunehmen. Denn des Ballettfreundes Gedanken schweifen unweigerlich die Jahre zurück… Umso größer ist es zu werten, wenn die aktuelle Aufführung den Erwartungen gerecht wird.

MacMillan|McGregor|Ashton — ein abwechslungsreicher, herausfordernder und auch mutiger Abend.

Dankenswerterweise wurden das erste und das letzte Stück vom Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Valery Ovsyanikov begleitet, mit Albena Danailova am ersten Pult. Igor Zapravdin spielte das furiose Klavierkonzert von Schostakowitsch, Shino Takizawa die Klaviersonate von Franz Liszt.

Folgevorstellungen in wechselnden Besetzungen am 6. und 10. November 2017 sowie am 8., 9. und 12. Juni 2018.

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