»Il barbiere di Siviglia«: Antonino Siragusa als Conte d’Almaviva im Finale des ersten Aktes © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Il barbiere di Siviglia«: Antonino Siragusa als Conte d’Almaviva im Finale des ersten Aktes

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Gioachino Rossini:
»Il Barbiere di Siviglia«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

Glaubt man den Berichten, feiert die Wiener Staatsoper bei ihrem Japan-Gastspiel Triumphe, während man in Wien auch spielt. Oder sollte man »trotzdem« schreiben? Denn die erste von insgesamt drei Vorstellungen dieses Rossinischen Meisterwerkes in der laufenden Saison vereinte Glanz und Elend des Repertoires auf der Bühne.
Viel Elend, wenig Glanz. Stark verwelkter Lorbeer.

II.
Guillermo García Calvo war aufgerufen, den Abend musikalisch zu leiten. Allein: Schon die Ouverture, sonst sprudelnder Quell der Lebensfreude, geriet langatmig. Langweilig. Anämisch. Etliche Unsauberkeiten der Holzbläser. Kaum musikalische Gestaltung, kein Ringen um die einzelnen Takte wie seinerzeit bei Abbados Rossini-Abenden. Immer wieder Schwierigkeiten in der Koordination mit der Bühne. Dienst »nach Vorschrift« der daheimgebliebenen Mitglieder des Staatsopernorchesters, während in Japan Riccardo Muti Le nozze di Figaro dirigiert?

Das Elend des Repertoires…

III.
Mihail Dogotari dirigierte als Fiorello besser als er sang. Lydia Rathkolb machte als Marzellina(Berta) für jene, welche aufmerksam zuhören wollten, deutlich, daß sie als Ida hörbar besser aufgehoben ist. Daß beide Ensemble-Mitglieder ihre Partien schon seit Jahren singen, sagt mehr aus über den Zustand des Hauses am Ring als die Anzahl der Abende mit Jonas Kaufmann oder Elīna Garanča.

Diesfalls mehr Elend…

IV.
Rachel Frenkel in der Partie der Rosina ließ sich ansagen. Ihre Leistung entzieht sich somit jeglicher Beurteilung.

V.
Paolo Rumetz hatte im Dezember 2014 die Rigoletto-Première gerettet. Er erwarb sich damit unbestreitbar den Dank des Publikums und der Direktion. Trotzdem bleibt nach dem gestrigen Abend festzustellen: Die Partie des Bartolo verlangt mehr, als Rumetz geben konnte. Viel mehr. »A un dottor della mia sorte« will ebenso gesanglich gestaltet werden wie »Quando mi sei vicina« und die Ensemble-Sätze.

Manche mögen einwenden, daß doch Rumetzs Spiel ganz ordentlich gewesen sei. Unterhaltsam. Ihnen antworte ich mit einem Zitat Thomas Hampsons: »If you can’t sing it, doing it isn’t gonna help.«

Mehr Elend denn Glanz auch hier.

VI.
Sorin Coliban, der Baß für alle Fälle, stand zum 25. Mal als Basilio auf der Bühne der Staatsoper. Laut singen kann er, das hörten wir. Aber schön (im Sinne von technisch richtig)? Oft wechselte der Stimmsitz (und damit die Stimmfarbe) innerhalb einzelner Phrasen, bestach Coliban durch jeglichen Verzicht auf die Kunst des legato. Kaum Gestaltung der Partie mit stimmtechnischen Mitteln. Man mag’s damit zufrieden sein. Aber ist nicht, wer solches nicht kritisch anmerkt, ein Niveau-Schänder?

VII.
Der Glanz des gestrigen Abends: Antonino Siragusa in der Partie des Conte d’Almaviva. In Gesang und Spiel sorgte er gemeinsam mit dem ebenfalls eingesprungenen Adrian Eröd als Figaro für jenen Schwung und jene Stimmung, welche sich von der ersten Minute an einstellen sollte. Siragusa griff in seiner Cavatina »Se il mio nome saper voi bramate« selbst zur Gitarre und sang auch »Cessa di più resistere«, jene große Arie, die dem Tenor am Ende des Abends nochmals volle Konzentration und die Mobilisierung aller Kräfte abverlangt. Und die so oft gestrichen wird. Die gestrige Darbietung Siragusas verdeutlichte einmal mehr seine Stellung als einer der aktuell weltweit besten Vertreter seines Faches.

VIII.
Glanz, der zweite: Adrian Eröd als Figaro, an seinem freien Tag zwischen zwei Manon-Vorstellungen. Ein Geschenk. Ein Geschenk, ihn noch einmal, wieder erleben zu können in dieser Partie. Gewiß, auch Eröds Stimme veränderte sich in den letzten Jahren. Aber die Klugheit und die ihm zur Verfügung stehende Technik, mit welchen Eröd die Partie des Figaro gestern gesanglich zu gestalten wußte… — jenen Voraussetzungen also, die engagiertes Spiel erst möglich machen — … ein Genuß.

IX.
À propos: Als Paolo Rumetz als Bartolo im ersten Akt ins Haus zurückkehrte, ließ Andreas Henning am Hammerklavier das Kuckuck-Thema aus den Filmen von Stan Laurel und Oliver Hardy erklingen. Trefflicher läßt sich der gestrige Abend kaum zusammenfassen.

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