»La Bayadère«: Das corps de ballet des Wiener Staatsballett im »Schattenakt« © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»La Bayadère«: Das corps de ballet des Wiener Staatsballett im »Schattenakt«

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Nurejew Gala 2017

Wiener Staatsballett

Von Ulrike Klein

Wie Dominic Meyer im Rahmen des Publikumsgesprächs am 20. Juni feststellte: »Wenn etwas zweimal hinter­einander gemacht wird, dann ist es eine Tradition.«

Wir sind dankbar, daß dem so ist. Denn gibt es etwas Schöneres, als das Ende der Saison mit einem großen Fest zu begehen? Und zu Ehren Rudolf Nurejews eine Gala zu veranstalten, die den Tänzern nochmals alle Kraftreserven abverlangt, welche nach einer anstrengenden Spielzeit verblieben sind? Traditionen wollen und sollen gepflegt werden. In diesem Sinne war wieder ein sehr umfangreiches Programm zusammengestellt worden, welches Höhepunkte der vergangenen Ballettabende und Neues miteinander vereinte.

Zum Auftakt wurde der Diamanten-Pas de cinq aus Rudolf Nurejews Choreographie des Klassikers Dornröschen gegeben. In den farbenfrohen Kostümen aus Paris begleiteten Adele Fiocchi, Dumitru Taran, Laura Nistor, Elena Bottaro und Xi Qu das Publikum aus dem Alltag in die Welt des Tanzes.

Der Kontrast zum nachfolgenden Stück konnte größer nicht sein: Zur Musik Johann Sebastian Bachs hatte Hans van Manen ein atemberaubende Choreographie für drei männliche Solisten geschaffen: Solo. Masayu Kimoto, Richard Szabo und Géraud Wielick veranstalteten ein Feuerwerk an Sprüngen und Touren. Spätestens jetzt waren die Zuseher in den Bann der Bühne geraten.

Nun war die Zeit gekommen für den ersten Höhepunkt der Gala: das Adagio aus Spartacus mit Maria Shirinkina und Vladimir Shkylarov, derzeit im Engagement beim Bayerischen Staatsballett. Die beiden russischen Tänzer schienen miteinander zu atmen, so fein gerieten die akrobatischen Hebungen, so selbstverständlich tanzten sie zusammen. Die Liebe zwischen Phrygia und Spartacus lag förmlich in der Luft.

Nach dem zarten Stück folgte als Ausgleich Jorma Elos Choreographie Glow-Stop zu Musik von Wolfgang Amadeus Mozart. Maria Yakovleva, Ioanna Avraam, Alice Firenze, Rebecca Horner, Natascha Mair und Oxana Kiyanenko sowie Vladimir Shishov, Francesco Costa, Alexis Forabosco, András Lukács, Alexandru Tcacenco und Kamil Pavelka tanzten den 4. Satz der C-Dur Symphonie, K 200.

John Neumeiers Magnificat bot Nina Tonoli und Jakob Feyferlik mit dem »Agnus Dei« aus Bachs h-Moll Messe, BWV 232, die Gelegenheit, zu zeigen, daß auch der Nachwuchs der Compagnie vielversprechend ist. Wunderbar ausgeglichen und harmonisch in der Partnerschaft, tanzten die beiden jungen Solisten, gesanglich begleitet von Margaret Plummer. Beide haben im Laufe der Spielzeit eine positive Entwicklung gezeigt, sie sind zu Solisten gereift.

Zum Abschluß des ersten Teils trat die Compagnie mit einem Ausschnitt aus Edwaard Liangs Murmuration an. Eine Erinnerung an einen der erfolgreichen Ballettabende des Wiener Staatsballetts dieser Saison. Nina Poláková und Roman Lazik waren das Hauptpaar.

Nurejew Gala 2017: Roman Lazik in Edwaard Liangs »Murmuration« © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Nurejew Gala 2017: Roman Lazik in Edwaard Liangs »Murmuration«

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Der zweite Teil des Abends war ganz La Bayadère gewidmet, dem letzten großen Ballett Rudolf Nurejews — 1992 in Paris gefeiert. Man zeigte Ausschnitte aus dem ersten Akt sowie den »Schattenakt«. Ioanna Avraam und Robert Gabdullin waren Nikita und Solor im ersten Akt. Schon bei ihrem Pas de deux kam der Wunsch nach mehr auf. Ob wir in den kommenden Jahren in den Genuß einer Wiederaufnahme kommen werden?

Im »Schattenakt« tanzte dann Liudmila Konovalova die Nikita, ihr Solor war Vladimir Shkylarov. Einmal mehr zeigte Liudmila Konovalova auf eindrucksvolle Weise, daß sie international in der ersten Liga zu Hause ist. Vladimir Shkylarov explodierte förmlich in seinem Solo und riß das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
(Die eine oder andere Unregelmäßigkeit im Corps de ballet mag man dezent übersehen und den Ermüdungserscheinungen zum Ende der Spielzeit zuschreiben.)

Den dritten Teil startete man ohne orchestrale Begleitung: Zwei Stücke mußten mit Musik vom Band auskommen. Dafür bot man mit Igor Zapravdin am Flügel einen großartigen Pianisten auf, der zu Liam Scarletts With a Chance of Rain Klaviermusik von Sergej Rachmaninow spielte: Die Prélude in g-Moll, op. 23/5, getanzt von Alice Firenze und Mihail Sosnovschi, sowie die Elegie in es-Moll, op. 3/1, mit Nina Poláková und Eno Peci. Zwei hervorragende Paare, die immer ein Garant für unglaubliche Ausdrucksstärke sind.

Nurejew Gala 2017: Alice Firenze und Mihail Sosnovschi in Liam Scarletts »With a Chance of Rain« © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Nurejew Gala 2017: Alice Firenze und Mihail Sosnovschi in Liam Scarletts »With a Chance of Rain«

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Elena Vostrotina (ab Herbst beim Ballett Zürich) und Vladimir Shishov zeigten mit In the middle, somewhat elevated eine Kostprobe der Choreographie von William Forsythe. Spannungsgeladen und akrobatisch agierten die beiden Tänzer miteinander, als trügen sie einen Wettbewerb aus.

Die wohl erfolgreichste Première der Saison war der Abend mit Arbeiten John Neumeiers, Le Pavillon d’Armide und Le Sacre. Als Nachklang hierzu gab man aus letzterer Arbeit das finale Solo, getanzt von Rebecca Horner.

Maria Yakovleva und Roman Lazik verkörperten das Paar im Ausschnitt La Prisonnière aus Proust ou Les intermittences du cœur. Die Choreographie Roland Petits ist mittlerweile ein Klassiker, trotzdem leider bei uns noch viel zu wenig bekannt. An jenem Abend zeigten die beiden ersten Tänzer ihr Können. Wunderbar zart und einfühlsam wurden da Gefühle vertanzt. Maria Yakovleva strahlte eine Abgeklärtheit aus, ein Ruhen in sich im Wissen um ihr Können. Es war eine Freude, sie so zu sehen.

Mit zwei Stücken von George Balanchine beschloß man die diesjährige Gala: Ludmila Pagliero, Etoile der Opéra de Paris, und der hauseigene Solist Jakob Feyferlik versprühten im Tschaikowski-Pas de deux Überschwang und Lebensfreude. Darauf folgte der 4. Satz aus der Symphonie in C von Georges Bizet mit den Hauptpaaren Alice Firenze und Robert Gabdullin, Natascha Mair und Masayu Kimoto, Liudmila Konovalova und Leonardo Basilio sowie Ioanna Avraam und Richard Szabo (letzterer kurzfristig eingesprungen für Davide Dato, welcher sich bei seinem ersten Auftritt, Stars and Stripes von George Balanchine, verletzt hatte).

Kevin Rhodes stand am Pult des Wiener Staatsopernorchesters. Die Violinsoli spielte Konzertmeister José Maria Blumenschein mit schönem, warmen Klang. So hätten wir ihn in dieser Spielzeit gerne öfter gehört!

Eine erfolgreiche Saison wurde so mit einem stürmisch gefeierten Abend beschlossen…

Bei der anschließenden Feier verkündete Manuel Legris fünf Avancements: Masayu Kimoto wurde zum ersten Solisten ernannt, Elena Bottaro, Adele Fiocchi, Sveva Gargiulio und Oxana Kiyanenko zu Halbsolistinnen.

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