»Der Nußknacker«, 1. Akt: Tanz der Schneeflocken © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Der Nußknacker«, 1. Akt: Tanz der Schneeflocken

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Piotr Iljitsch Tschaikowski:
» Der Nußknacker «

Wiener Staatsballett

Von Thomas Prochazka

Die Tage vor Weihnachten waren den Tanzdemonstrationen der Ballettakademie gewidmet: im Theater in der Walfischgasse wie auch im Haus am Ring. Pünktlich zum Fest wurde der Baum aufgestellt, die Kinder putzten sich heraus, und man gab eines der großen russischen Ballette von Peter Iljitsch Tschaikowski: Der Nußknacker in der Choreographie von Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Iwanow.

Die musikalische Leitung war wiederum Paul Connelly anvertraut, der das Orchester der Wiener Staatsoper mit Albena Danailova am Konzertmeisterpult souverän durch den Abend führte.

Da die letzten Aufführungen des Werkes geraume Zeit zurückliegen — sie fanden zum Jahres­wechsel 2014/15 statt —, gab es an jenem Abend einige Rollen-Debuts. Die Kinder der Ballettschule zeigten mit Engagement ihren Familien, die einen nicht geringen Teil des Publikums ausmachten, ihr Können. Mit Spielfreude belebten sie die Bühne, der Tanz mit den Puppen und den Steckenpferden, die Interaktion mit den Erwachsenen geriet sehr gut. Einzig die Mäuse wirkten etwas geschreckt und nicht wirklich im Takt. (Den Familien hat es dennoch gefallen.)

Um wieviel schwerer tat sich da der Tänzer der Titelpartie bei seinem Debut: Leonardo Basilio hatte seine größten Momente als Drosselmeyer. Die Erwartungen an den Prinzen nach der Verwandlung: Sie wurden leider nicht erfüllt. … Denn da ging’s um das bloße Überleben in der Partie. Nun ist Rudolf Nurejews Choreographie alles andere als leicht; — aber so darf es auch bei einem Debut nicht aussehen. Oft schlichen sich Unsauberheiten ein. Es schien, als würde Basilio immer wieder die Zeit zu knapp, um nach dem Verlassen des Bodens auch noch den zweiten Fuß zu strecken. … Auch mit der Orientierung im Raum hatte der Tänzer seine Probleme. Da wird noch viel Arbeit zu leisten sein.

Dieser Einstand: schade. Besonders, weil Basilio an anderen Abenden bereits sein Potential zeigte. Die Rolle des Prinzen allerdings: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint sie für den Halbsolisten noch zu anspruchsvoll.

»Der Nußknacker«, 2. Akt: Natascha Mair (Clara) und Leonardo Basilio (Drosselmeyer/Prinz) im finalen Pas de deux bei Basilios Rollen-Debut © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Der Nußknacker«, 2. Akt: Natascha Mair (Clara) und Leonardo Basilio (Drosselmeyer/Prinz) im finalen Pas de deux bei Basilios Rollen-Debut

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Natascha Mair als Clara mühte sich nach Kräften, ihren Partner durch die Pas de deux zu führen. Nur: Dazu fehlt ihr die Größe, dies unmerklich zu tun. … Bereits erfahrener in Solopartien, gestaltete Mair das kleine Mädchen, daß den Nußknacker geschenkt bekommt und dann durch ihre Traumwelt tanzt. Solange sie das Mädchen darstellte, wirkte sie überzeugend. Als strahlende Prinzessin im finalen Pas de deux fehlte ihr die Aura der Ballerina. Etwas mehr Ruhe und Ausgeglichenheit wären der Größe zuträglich.

Beeindruckend in seinem Solo war Richard Szabó als Bruder Fritz: sehr akkurat und sauber tanzte er den Zinnsoldat. Auch machte es Freude, Anita Manolova als Luisa in ihrem Solo als Arabische Puppe zu sehen. Das waren die Höhepunkte des ersten Aktes.

Die Reise durch die Traumländer: teilweise sehr durchwachsen… Höhepunkt war der Arabische Tanz mit Alice Firenze und Eno Peci, Tiefpunkt die Pastorale mit Elena Bottaro, Adele Fiocchi und Dumitru Taran. Erstaunlich, wieviel man wieder verlernen kann, wenn ein Werk für einige Zeit vom Spielplan verschwindet… Denn nur Fiocchi debutierte. Den beiden anderen Tänzern dürfte so ein Auftritt nicht passieren (auch nicht einen Tag vor Weihnachten): unsauber gearbeitet, mehr Ringkampf denn Schäferspiel…

Und das Corps de ballet? Auch hier gab es zahlreiche Rollen-Debuts. Dennoch: Muß der Tanz der Schneeflocken gleich wie ein Sturm aussehen? Die Verwirrung legte sich auch nicht bis zum Walzer im zweiten Akt. Schade.

Interessant, daß das Publikum bei dieser Besetzung mit Kartenpreisen der Kategorie S (bis EUR 196,--) nicht protestierte, sondern jubelte. Wie leicht man doch Familien und Touristen zufriedenstellen kann… Denn: Wenn das Geschwisterpaar Claras und der Arabische Tanz als Höhepunkte übrig bleiben, ist etwas falsch gelaufen.

Ein Trost bleibt: Es kann nur besser werden.

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