Richard Wagner: »Lohengrin«
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
II.
Schlimmer allerdings: die akustischen Nebenwirkungen der falsch verstandenen »Freiheit der Kunst«. Wenn der eng umgrenzte, einen älplerischen Wirtshaussaal vorstellende Raum (Ausstattung: Wolfgang Gussmann) Vorstellung für Vorstellung für akustisch unbefriedigende Verhältnisse sorgt… Wenn der Chor nur mehr lärmt und so jedes Solisten Bemühen nach gesanglicher Gestaltung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist… Denn: Chor und Extrachor der Staatsoper erfüllten des Dirigenten Vorgabe. Mit Hingabe. Hie und da geriet man allerdings auseinander, nicht nur mit der Bühne, sondern auch untereinander.
III.
Des Dirigenten Vorgabe… Sebastian Weigle war in Wien zum ersten Mal für Lohengrin ans Pult berufen worden. Es lärmte im Graben, und der Opernfreund wußte: Das Staatsopernorchester war in Geberlaune. Selbst wenn man sich an einigen (ohnehin zuwenigen) piano-Stellen zusammenfand, zog der Abend ohne besondere Höhepunkte vorüber. Telramunds und Ortruds Streitgespräch, der Zug vor das Münster… Selbst Brautchor und Gralserzählung hinterließen wenig Eindruck.
IV.
Günther Groissböck lieh Heinrich dem Vogler Spiel und Stimme. Ersteres auch im Hintergrund, lief Groissböck doch unzählige Male hin und wider, machte gestische Andeutungen, ließ sich (als König! unerhört!) willig auf die Schultern klopfen. Stimmlich neigte er zur großen Geste. Schwächelte nur das eine oder andere Mal, bei exponierten Tönen. (Kaum ein Baß mag sich mit dem hohen f auf »dann schmäht wohl Niemand mehr...« wirklich anzufreunden.) Alles in allem, allerdings: ein rundum präsenter König Heinrich, wie er heute rar ist. Gerne wieder.
Adrian Eröd als Heerrufer: einen Luxusbesetzung. Doch schien er mir ein wenig zurückhaltend, als fiele nun erst die Anspannung der letzten Tage von ihm ab. Eröd wird sich wohl schon des öfteren die Frage gestellt haben, warum er als Heerrufer immer einen braunen Lederranzen mit sich herumtragen muß. (Ohne daß diesem auch nur irgendeine dramaturgische Bedeutung zukäme.) Er sei versichert: Ich auch…
V.
Der Friedrich von Telramund des Jukka Rasilainen vermochte mich trotz oder gerade wegen seines kraftvollen Stimmeinsatzes nicht zu überzeugen. Das klang oftmals zu laut und — leider — sehr wortundeutlich. Man soll die Lebenden nicht mit den Toten erschlagen, also: Rasilainens Leistung reichte nicht an jene eines Wolfgang Koch, eines Tomasz Konieczny heran. Wie aber soll ein Publikum Interesse oder Mitgefühl für eine Figur entwickeln, wenn man ihren Gesang kaum versteht?
VI.
Elena Zhidkova, zuletzt als Principessa di Bouillon zu erleben, gab erstmals in Wien die Ortrud. Mit fokussiertem Ton, wie man es von ihr gewohnt ist. Im vorherrschenden Lärm allerdings hielt der Vorsatz, legato zu singen, nicht allzu lang. Auch dünkt mich, Zhidkova vermag in dieser Partie ihre volltönende Mittellage nicht zur Geltung zu bringen. »Entweihte Götter!« gewährte immerhin einen flüchtigen Eindruck davon, was unter einem Ersten Dirigenten möglich scheint…
VII.
Auch Annette Dasch gab ihr Wiener Rollen-Debut: eine deutsche Biedermeier-Elsa. Zurückhaltend… Eigentlich: uninteressant. Mit stimmlichen Problemen: Einer durchaus kräftigen (obwohl manchmal übersteuerten) Höhe eignet in der oberen Mittellage sowie in der Tiefe keine Entsprechung. Da klingt vieles resonanzlos und unschön (weil breiig). Und nach kräftezehrender Arbeit, wie sich im dritten Akt unverhohlen bemerkbar macht.
VIII.
Robert Dean Smith gilt als verläßlicher Sänger — und das zurecht. In Wien sprang er, erstmals in Homokis Inszenierung, als Lohengrin ein. Scheute sich nicht, des Spielvogt Anweisungen nach besten Wissen zu befolgen. (Das allein ist schon eine Leistung.) Agierte engagiert. Smith schlug sich wacker in dieser Partie, deren erste Schwierigkeit nicht die Spitzentöne, sondern die hohe Tessitura ist. Daß Smiths Stimme in der Höhe eng wird, mitunter ein wenig gequetscht klingen kann: Wir wissen es. Daß er mit vollem Einsatz zu Werke ging: Es sei ihm gedankt.
IX.
Dieser Lohengrin, nehmt nur Alles in Allem: Repertoire-Alltag. Nicht mehr.