Wolfgang Amadeus Mozart:
»Die Zauberflöte«
Oper Burg Gars
Von Ulrike Klein
Unter der musikalischen Leitung von Johannes Wildner musizierte die Klangvereinigung Wien. Es sang der Chor der Oper Burg Gars.
Bernd Hofmann als Sprecher und Benedikt Kobel (dessen Karikaturen auch das Programmheft zieren) als Monostatos vertraten die Riege der »alten Hasen“. Sie sind seit Jahren im Geschäft: der eine großgeworden am Mainfranken Theater Würzburg (er gewann 1996 den dortigen Mozartfest-Wettbewerb) an der Seite von Diana Damrau und Christian Gerhaher, der andere verdientes Ensemble-Mitglied der Wiener Staatsoper. Daß sie für ihre sommerlichen Ausflüge ihr Stimmfach nicht verlassen, bescherte gestern abend einem sehr aufmerksamen Publikum viele schöne Augenblicke. Beide wissen aus Erfahrung, wie auf Freiluftbühnen zu agieren ist, zumal die Sänger in Gars ohne elektroakustische Verstärkung singen. Von der Art der Stimmprojektion dieser beiden können die Jungen an ihrer Seite in jeder Vorstellung profitieren.
In den anderen Partien setzt Johannes Wildner auf den Nachwuchs. Das führte zu manch überraschenden Momenten, als etwa Isabel Seebacher als erste der Drei Damen mit rundem Sopran unüberhörbar das Kommando übernahm, während Tina Drole als dritte vor allem mit ihrer Natürlichkeit im Spiel überzeugte. Monika Schwabegger komplettierte das Trio, auch sie wußte sich auf der ovalen, der Burgmauer vorgebauten Bühne durchaus in Szene zu setzen.
Mit nur wenigen Requisiten baute Regisseur Kurt Josef Schildknecht ganz auf die Macht der Musik. Und die Rechnung geht auf. Geschickt bindet er die Architektur in das Geschehen ein, auch wenn ein Auftritt in luftiger Höhe auf der Burgmauer sicherlich eine zusätzliche Herausforderung darstellt, fehlt doch die schützende Wand im Rücken. Daß die Sänger aufgrund der Anordnung auf den direkten Kontakt zum Dirigenten verzichten müssen, macht ihnen das Bühnenleben nicht leichter. Doch sie meistern die Schwierigkeiten souverän.
Adriana Gonzalez, seit 2016 Ensemble-Mitglied des Opernhauses Zürich, überzeugte als Pamina von Beginn an mit sicher geführter Stimme, Projektion und sehr guter Phrasierung. Die beste Leistung des Abends! Und ein Name, den man sich merken sollte.
Ihr Prinz Tamino wurde von Siyabonga Maqungo gesungen, seit 2015 im Ensemble des Meininger Staatstheaters (das einen guten Ruf als sogenanntes »Sprungbrett« für junge Sänger besitzt). Maqungo verfügt über einen klaren, hellen Tenor, der über genügend Kraft verfügt, um auch mit den Tücken einer Freiluftaufführung zurechtzukommen.
Mit der Partie der Königin der Nacht gab die junge Österreicherin Veronika Kaiser am gestrigen Abend ihr Rollen- und Bühnen-Debut. Bisher auf Wiener Konzertbühnen zu erleben, stellte sie sich erstmals der Herausforderung einer szenischen Produktion. Hoch oben auf der Burgmauer erklang die erste Arie »O zittre nicht, mein lieber Sohn«, beginnend in B-Dur. (Das Larghetto in g-moll weist auf die Arie ihrer Tochter Pamina voraus.) Deutlicher lassen sich Familienbande nicht zeigen. Und bei wolkenlosem Himmel wäre da eine sternflammende Königin erschienen…
Die zweite Arie »Der Hölle Rache« durfte Kaiser dann zu ebener Erd’ singen und dabei auch ihr schauspielerisches Talent zeigen. Die gesprochenen Passagen, die Zeit auf der Bühne mehr auszukosten, verliehe ihrem Spiel noch mehr Dramatik, unterstützte die Gestaltung des Überganges zur nachfolgenden Arie. Auch in dieser gelangen die Koloraturen, die Spitzentöne wieder so sauber und klar, wie man sie auch an großen Häusern nicht alle Tage zu hören bekommt. Leider fehlte es gestern etwas an Resonanz in der tiefen Lage. Zeichen der Nervosität beim szenischen Debut? Wie meinte Edda Moser einmal in einem Interview: Wichtig sei die Tiefe, dann käme die Höhe von allein. Allen Einwänden zum Trotz: eine bemerkenswertes Debut der Wienerin.
Wolfgang Resch, ursprünglich als Zweitbesetzung aufgeboten, spielte sich als Papageno die Seele aus dem Leib. Angetan mit Federnumhang, im Jägerleinenjanker, Krachledener und biedermeierlicher Volière, sorgte der eigentlich stärkste, weil unprüfbare Charakter für jenen Volkston, welcher so vielen Produktionen der Zauberflöte fehlt. An der Projektion seines hell timbrierten Baritons wird der Tiroler »Vogelhändler« sicher noch weiter arbeiten.
Sein »Weibchen« Papagena wurde, ganz entzückend, von der jungen Katharina Tschakert gespielt und gesungen. Mehr Sprechrolle denn Gesangspartie, obliegt ihr die schwierige Aufgabe, den Humor Emanuel Schikaneders umzusetzen, ohne albern zu wirken. Hier konnte Tschakert auf die gute Schulung durch den Arnold Schönberg Chor bauen, der ja immer ein Garant für hervorragende Bühnenpräsenz ist.
Leider wirkte Igor Storozhenko als Sarastro in diesem bunten Treiben eher blaß, da nützte auch die rote Federmaske beim ersten Auftritt nicht viel. Stimmlich stieß er rasch an seine Grenzen, sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe. Und auch schauspielerisches Talent gälte es noch zu erringen in seinem Prüfungstempel.
Da boten die Priester Roger Diaz Cajamarca (er zeichnet auch verantwortlich für die Choreinstudierung) und Lukas Zuba — sein Tenor ließ aufhorchen — sowie die beiden Geharnischten Michael Baba und Florian Köfler mehr Potential an.
Johannes Wildner zitiert im Programmheft seinen ehemaligen Chef Claudio Abbado, der einmal festgestellt hatte, daß Theater im Norden immer etwas mit Bildung, moralischer Erziehung und Besserung des Menschen zu tun haben müsse, es im Süden hingegen völlig ausreiche, wenn etwas ganz einfach »schön« sei. Wenn es die Seele des Menschen erfreue. Die gestrige Vorstellung hatte dann etwas Südliches an sich; — sie war einfach »schön«. Und hat erfreut.
Oper Burg Gars: Weitere Vorstellungen der Zauberflöte am 18., 21., 23., 27. und 29. Juli sowie am 4. und 5. August 2017