Richard Strauss:
»Der Rosenkavalier«
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
II.
Das Staatsopernorchester unter der Leitung von Ádám Fischer: welch Unterschied zum Dirigat des Vorabends! Die Vorspiele, die Finali: Höhepunkte der Vorstellung. Schon das den Abend eröffnende Vorspiel: Selten gelang es so mitreißend (zwei Orchesterschmisse inclusive. Aber die taten der Sache keinen Abbruch). Dazwischen: immer wieder Fischers Bemühen um Agogik und Dynamik, Rücksichtnahme auf die Sänger. (Soweit möglich.) … Daß Fischer mit Ölfarben malt, nicht aquarelliert: Wir wissen es.
III.
Clemens Unterreiner ward (in Vertretung) als Faninal aufgeboten: mit klarer Diktion und klingendem Bariton. Eine der besten Leistungen des Abends. Daß er im Finale des dritten Aktes im Beisein der Frau Fürstin Feldmarschall mit Hut am Kopf erschien… Wir wollen es ihm nachsehen.
IV.
Noch dazu, wo Krassimira Stoyanova zwar erstmals im Haus am Ring als Fürstin Feldmarschall auf der Bühne stand, diese allerdings in keiner Sekunde war… Der silberne Strauss-Klang — war Stoyanovas Stärke nicht. Dazu gesellten sich immer wieder Vokalverfärbungen in den Phrasen, verlor Stoyanovas Stimme in der Tiefe hörbar an Volumen, wurden einige Zeilen nur gesprochen. Das Bemerkenswerteste jedoch: kein Zoll eine Fürstin Feldmarschall. Auch darstellerisch nicht: Wann schlug jemals eine Feldmarschallin die Beine übereinander, während sie über den »aufgeblasnen, schlechten Kerl« raisonnierte? Des Grafen Rofrano Handkuß im ersten Akt: Er wurde zu früh eingefordert, vor »Jetzt sei Er gut, und folg' Er mir«. … Details? Details. Aber in ihnen liegt der ganze Unterschied.
Stoyanovas Feldmarschallin erscheint nicht: Sie ist auf einmal da. … Selbst die Einforderung von Octavians Ehrbezeugung im Finale des dritten Aktes — eine der stärksten Scenen des Buches — gebrach der (auch für das Parkett) spürbaren Bemeisterung einer verletzten und verlassenen, aber großen Frau…
V.
Der Baron Ochs auf Lerchenau des Peter Rose: Auch er schwächelte. Gesanglich vor allem. … Zwar gelang der Ochs besser als bei der letzten Wiener Serie, doch waren stimmliche Ermüdungserscheinungen unüberhörbar. Allerdings zählt Rose zu jenen Sängern, die auch in eingeschränkter stimmlicher Verfassung Abende anständig zu bestreiten vermögen. Ihr Publikum durch Spiel und Extempores zu fesseln wissen. (Ebenso, wie sie um ihre Leistung wissen.)
VI.
Als Erin Morley im Dezember 2014 ihr Haus-Debut als Gilda gab, war in der Presse von einer »kleinen Stimme« zu lesen. Gibt es »kleine« Stimmen überhaupt? Wäre in solchen Fällen nicht eher von stimmtechnischen Mängeln zu sprechen? (Unter der Annahme eines sein Handwerk verstehenden Kapellmeisters und einem diesem willig folgenden Orchester selbstverständlich.) Also: Erin Morley sang die Sophie. Tadellos. Allerdings: Aus dieser Partie wäre stimmlich mehr herauszuholen, viel mehr. Und deshalb ergriff man ja den Beruf des Sängers. Oder?
VII.
Ebenfalls überraschend: Stephanie Houtzeel als Octvavian. Sie präsentierte sich seit dem letzten Aufeinandertreffen stark verbessert in der Mittel- und oberen Lage. Überaus spielfreudig. Und den Abend mit der stimmlichen Süße des erstmals Verliebten eröffnend… weich, zart, hingebungsvoll. Houtzeel hinterließ den Eindruck, sie habe sich (nicht nur darstellerisch) kürzlich erst mit dieser Partie auseinandergesetzt, neue Einsichten gewonnen. Die tiefen stimmlichen Regionen allerdings: Sie harren immer noch der Eroberung, gebrechen des nötigen Volumens. Wir wollen weiter hoffen.
VIII.
Ein weiterer Höhepunkt des Abends: »Hab mir‘s gelobt«, das Schlußterzett. Kaum erinnerlich, wann zuletzt die Stimmen der Marschallin, Octavians und Sophies so harmonisch mit- und ineinander klangen. Diesfalls auch mit der Unterstützung Fischers und des Staatsopernorchesters.
Alle Mitwirkenden, sie seien bedankt.