»Der Rosenkavalier«, 3. Aufzug: Linda Watson bei ihrem Staatsopern-Debut als Feldmarschallin Fürstin Werdenberg © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

»Der Rosenkavalier«, 3. Aufzug: Linda Watson bei ihrem Staatsopern-Debut als Feldmarschallin Fürstin Werdenberg

© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Richard Strauss:
»Der Rosenkavalier«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

Die Wiener Staatsoper spielte Straussens Meisterwerk in einer der Papierform nach sehr guten Besetzung. Und doch gilt es von Licht und Schatten zu berichten. Viel Schatten: einem Totalausfall am Pult.
So waren, nehmt nur alles in allem, die Begebenheiten.

II.
»Wie Du warst! Wie Du bist!« Und in dem Wie der stimmlichen Gestaltung dieser Phrase, da liegt der ganze Unterschied. Da entscheiden sich Wohl und Wehe der Sängerin der titelgebenden Partie. Bei Sophie Koch war der Octavian gestern — »wieder einmal«, bin ich versucht zu schreiben — in den besten Händen. Die Französin präsentierte sich als eine der derzeit weltweit führenden Vertreterinnen dieser Partie. Ihre Stimme klang in allen Lagen gut durchgebildet, sprach über den gesamten Verlauf gut an. Bemerkenswert auch, daß das obere Register in den vergangenen Jahren ein helleres Timbre gewann. (Das fiel bei der Charlotte Ende März nicht so auf.)

III.
Daniela Fally blieb als Octavians erste große Liebe Sophie hinter den Erwartungen und den Leistungen ihrer Ensemble-Kolleginnen der letzten Vorstellungen zurück: Vor allem in der Szene der Rosenübergabe ließ Fallys Wortdeutlichkeit zu wünschen übrig, ebenso die Durchschlagskraft in der oberen Mittellage. Eine intakte Höhe allein sichert auch einem Koloratursopran nicht das Überleben. Spielerisch bietet die Partie der Sophie ja selbst in der Inszenierung von Otto Schenk nicht allzu viele Gestaltungsmöglichkeiten: — umso mehr wäre deshalb eine adäquate gesangstechnische Umsetzung gefragt.

IV.
Jochen Schmeckenbecher hatte als durchaus ernstzunehmender Rollenvertreter des Herrn von Faninal unserer Tage seine besten Momente, als ihm das Ende des Heiratsplans für seine Tochter dämmerte: »Blamage!« Ein schauspielerisches Gustostückerl, das.

V.
Peter Rose gab Faninals Schwiegersohn in spe, den Baron Ochs auf Lerchenau. Leider schien der Bass einen schwarzen Tag erwischt zu haben (was er auch durch eine Geste bei seinem Solo-Vorhang zum Ausdruck zu bringen schien). Da klang vieles nicht so, wie ein Ochs klingen sollte — und Rose ihn in der Regel (vor allem auch stimmlich) zeichnet. Der Sänger ist jedoch lange genug auf den Bühnen dieser Welt zuhause, um zu wissen, wie man mit Technik und engagiertem Spiel auch solche Abende über die Runden bringt. (Sophie Koch als Partnerin im dritten Aufzug war da ein Geschenk Gottes.)

VI.
Linda Watson feierte in der aktuellen Serie als Einspringerin für Angela Denoke als Feldmarschallin Fürstin Werdenberg ein spätes Rollen-Debut im Haus am Ring (und rettete so die Vorstellungen). Die aus Kalifornien gebürtige U.S.-Amerikanerin, die man bislang in Wien vor allem als Brünnhilde und Elektra hören konnte, sorgte für die Überraschung des Abends: Konsequent versagte sich Watson im ersten Aufzug alle größeren Ausbrüche, sang auf Linie bedacht und mit einer (stimmlichen) Disziplin, welche einen staunen machte. Da entsann sich eine Sängerin ihres technischen Rüstzeugs. Watsons Sopran gebrach es des oft strapazierten »silbernen Strauss-Klanges«, doch fand die Sängerin zu einer stimmlich wie darstellerisch überzeugenden Interpretation ihrer Partie. Wann immer die Marschallin die Szene betrat, wurde sie zu deren Mittelpunkt. Chapeau!

VII.
Sascha Goetzel sorgte bei seiner Debut-Serie als Rosenkavalier-Dirigent für — nicht einmal mehr gepflegte — Langeweile. Uninspiriert, grob, laut und konturlos klang das alles, was da aus dem Graben kam. Viele Teile des zweiten und dritten Aufzuges gerieten zu indifferentem, musikalischen Lärm, bar jeglicher musikalischer Gestaltung. Goetzel war mit raumgreifendem Taktschlagen so gefordert, daß er auf alle sichtbaren Einsätze für die Sänger verzichtete. Was Wunder also, daß sich diese meist hilfesuchend dem maestro suggeritore Lucio Golino zuwandten… 

Goetzels Engagement: wohl ein Mißverständnis des Besetzungsbüros. Denn so spannungsarm darf Der Rosenkavalier in Wien niemals klingen.

 

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