Balanchine | Liang | Proietto
Wiener Staatsballett
Von Ulrike Klein
Die Exaktheit, die die neoklassische Arbeit Balanchines verlangt — sie war zu sehen. Eine Freude war es, die Solisten und auch das corps de ballet zu erleben. Zur Symphonie in C von Georges Bizet versammelten sich sechs Erste Solisten. Das ist Luxus.
Maria Yakovleva und Masayu Kimoto eröffneten den Reigen im ersten Satz. Der langsame zweite Satz, in der Choreographie zum »Hauptsatz« erhoben, bot Liudmila Konovalova und Vladimir Shishov einmal mehr die Gelegenheit zu zeigen, wie herausragend ein Adagio sein kann.
Kiyoka Hashimoto und Denys Cherevychko tanzten den dritten Satz mit viel Freude und Lust, die Virtuosität schien ihnen auf den Leib geschrieben. Es soll durchaus Erwähnung finden, daß Kiyoka Hashimoto den sehr positiven Eindruck, den sie in der Vorweihnachtszeit in Verklungene Feste bot, auch jetzt vermittelte. Sie wirkt nach der Karenz so lebendig, verströmt viel Freude und damit Sicherheit, hat stark an Ausdruck gewonnen.
Den vierten Satz leitete eine bezaubernde Alice Firenze mit ihrem Partner Dumitru Taran ein. Nacheinander gesellten sich die anderen Paare hinzu.
Das Niveau, welches in der Symphonie in C geboten wurde, konnten auch die begleitenden Solopaare und das Ensemble halten.
Eine Symphonie — optisch und akustisch ein Genuß.
Konzertmeister Volkhard Steude spielt in dieser Serie das Violinkonzert Nr. 1 von Ezio Bossi. Beim Wiedererleben kam die Frage auf: Wie wäre es, dieses Stück einmal im Konzertsaal zu hören? In dieser Qualität, die Solist und Orchester boten, müßte das sehr gut gehen.
Eingesprungen für Nina Poláková, tanzte Ketevan Papava das Solo an der Seite von Roman Lazik. Auch sie, gerade aus der Karenz zurück, läßt manchen Ballettfreundes Herz höher schlagen: Merkt man doch, worauf wir in den letzten Monaten verzichten mussten. Die Choreographie Edwaard Liangs zeichnet die Vogelschwärme nach, unterstützt von der Lichtdramaturgie. Dieses Stück sollte wie auch der Balanchine länger im Repertoire gehalten werden. Wenn zeitgenössische Werke so ausfallen, dann bitte gerne mehr.
Zum Abschluß dann Blanc von Daniel Proietto. War die Sprechpartie des Poeten bei der Uraufführung noch mit einem Schauspieler besetzt, der zwischen den Tänzern verloren schien, so vertraute man diese nun dem Halbsolisten Andrey Kaydanovskiy an. Diesem gelang es, aus der Rolle quasi die Hauptfigur des Stückes zu formen. Beachtlich.
Zwar ausgestattet mit Microport (leider zu laut eingestellt), sprach er die Texte mit einer Deutlichkeit, die einem Schauspieler zur Ehre gereichte. Hinzu kommt, daß er es versteht, allein mit der Bewegung eine Geschichte zu erzählen und die Bühne zu beleben; — oder sogar zu beherrschen. Chapeau! Dies führte allerdings dazu, daß der Eindruck, den die Choreographie in der ersten Serie hinterließ, nun noch schwächer wurde. Gut getanzt, aber irgendwie leer. Schade, denn die beiden Solisten Ketevan Papavan und Eno Peci gehören zu den Paaren des Ensembles, die in den modernen Programmen immer sehr gut sind.
Alles in allem war es ein Abend, den man nicht missen möchte. Mitreißend auf der Bühne und im Graben.