Maerten van Hemskerck (1498 – 1574): Ausschnitt aus »Triumphzug des Bacchus« (um 1536/37). Kunsthistorisches Museum, Wien. © Thomas Prochazka

Maerten van Hemskerck (1498 – 1574): Ausschnitt aus »Triumphzug des Bacchus« (um 1536/37). Kunsthistorisches Museum, Wien.

© Thomas Prochazka

Richard Strauss:
»Ariadne auf Naxos«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

Patrick Lange versucht sich in Wien an Ariadne auf Naxos.
(Treffender läßt sich der Abend nicht zusammenfassen.)

II.
Daß die 36 Musiker des Staatsopernorchesters eine Ariadne-Vorstellung ohne größere Unfälle zu Ende zu bringen verstehen: Die Wiener Opernfreunde wissen’s. Daß es, um den Strauss’schen Intentionen gerecht zu werden, der ordnenden Hand eines wissenden Dirigenten bedarf: — eben­falls. Jedoch: Patrick Lange, eines der »vielversprechenden Talente der jüngeren Dirigentengeneration« (so las man’s am Abendzettel) ordnete … nix. Gar nix. Alles klang irgendwie — gleich. Uninspiriert. Bissel langweilig. Und zu laut. (Vor allem im Vorspiel, in welchem die Sänger zumeist parlierend unterwegs sind.)

III.
Jochen Schmeckenbecher erfreute mit einem gut gesungenen Musiklehrer. Was beim ersten Auftreten noch unangenehm »deutsch« klang, schliff sich mit den Jahren ab. Nahm weichere Züge an. Wienerischere. Harmoniert nun besser mit Hofmannsthals satirischen Versen. Daß der Musik­lehrer seinem Schüler Avancen zu machen hat: — wieder so eine modische Sichtweise. Die zu nichts führt. (Ebenso wie fortgesetztes Lamentieren über des Spielvogt Sven-Eric Bechtolfs hanebüchene Einfälle. Weshalb ich es bei diesem Hinweis belassen will.)

IV.
Thomas Ebenstein war der in des Spielvogt Hirngespinsten homosexuelle Tanzmeister. Der doch in Fortspinnung dieser szenischen Verirrung niemals eine Anstellung bei einem Neureichen ge­funden hätte. Oder aber rasch wieder vom über alle und alles gebietenden Majordomus des Peter Matić hinausgeekelt worden wäre. Matić erfreute wieder mit dem »sublimen Gedanken«, ohne welchen ein wienerischer Haushofmeister nicht denkbar ist.

»Ariadne auf Naxos« (Vorspiel): Maria Nazarova (Najade), Olga Bezsmertna (Echo), Svetlina Stoyanova (Dryade) mit Peter Matić (Der Haushofmeister) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Ariadne auf Naxos« (Vorspiel): Maria Nazarova (Najade), Olga Bezsmertna (Echo), Svetlina Stoyanova (Dryade) mit Peter Matić (Der Haushofmeister)

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

V.
Sophie Koch, der Komponist des Abends, gilt als eine der führenden Mezzosopranistinnen unserer Tage. Darf ich trotzdem anmerken, daß ihre Stimme am Beginn des Abends nicht vollständig ein­satzbereit schien? Daß Kochs Stimmfarbe sich aufhellte, wenn es galt, sich im oberen Register zu bewegen? Auffällig auch, daß Kochs Wortdeutlichkeit über weite Strecken zu wünschen übrig ließ. Tribut an das vom Pult verordnete, zu laute Spiel?

VI.
Zerbinetta. Daniela Fallys Stimme. Die Indisposition. Das ergab an diesem Abend eine ménage à trois. Im Vorspiel distonierte die Sopranistin fast jedes Mal, wenn es darum ging, die Brust­stimme zu aktivieren. Da hielt kaum ein Ton. Die Folge: Fally ließ sich nach der Pause mit einem »akuten allergischen Infekt« ansagen. Die Sängerin erklärte sich dennoch bereit, die Vorstellung zu Ende zu bringen. Dafür will ich ihr Respekt zollen.1 Was bleibt, ist die Hoffnung, daß Fally die sie schon seit längerem begleitenden stimmlichen Probleme überwinden wird. Denn Spiel allein macht noch keine Rollengestaltung.

VII.
Nach der Absage Stephen Goulds übernahm Herbert Lippert (wieder einmal) die Partie des Bacchus. Das mochte einigen nicht gefallen. Doch eben dafür gibt es Ensemble-Mitglieder: um für kurzfristig absagende Gäste einzuspringen (und womöglich sogar eine Vorstellung zu retten). Lippert war der Ariadne von Adrianne Pieczonka ein verläßlicher Partner. Und wenn er den einen oder anderen Spitzenton ausließ, so befand er sich damit in bester Gesellschaft mit nam­haften Rollenvertretern der ach so »guten, alten Zeit«.

VIII.
Rafael Fingerlos debutierte als Harlekin, Jinxu Xiahou als Scaramuccio. Pavel Kolgatin als Brighella und Wolfgang Bankl in der Partie des Truffaldin komplettierten das männliche Quar­tett der von einem Gast seinen Begleitern als »burleske Schauspielertruppe« vorgestellten commedia dell’arte-Figuren. (Lernt man soetwas heutzutage nicht mehr?) Leider fanden die vier Herren untereinander und mit ihrer Zerbinetta gesanglich nicht zueinander. Da klang vieles unausgewogen und nicht geprobt.

Ein wenig besser lief es mit dem rollendeckenden Echo der Olga Bezsmertna, der Najade der Maria Nazarova und dem sein Haus-Debut feiernden Ensemble-Mitglied Svetlina Stoyanova als Dryade. Aber auch hier erscheint eine Steigerung vorstellbar.

»Ariadne auf Naxos« (Oper): Adrianne Pieczonka als Ariadne © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Ariadne auf Naxos« (Oper): Adrianne Pieczonka als Ariadne

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

IX.
»Ariadne heißt das Losungswort.« Ich kann mich nicht entsinnen, in dieser Inszenierung jemals eine technisch besser gesungene Ariadne als jene der Adrianne Pieczonka gehört zu haben. Einige werden mir zurufen, daß Pieczonka in der Tiefe einige Male distonierte, daß die Höhen (vor allem zu Beginn der Oper) scharf klangen. Ihnen entgegne ich: Habt Ihr gehört, wie her­vor­ragend Pieczonka beispielsweise »Ein Schönes war« intonierte? Wie sauber geführt die Stimme der Kanadierin klang? Wie sehr diese Partie — so man sie legato zu singen weiß — zu berühren vermag?

Was Pieczonka an diesem Abend über weite Strecken bot, war Strauss-Gesang, wie wir ihn in Wien schon lange nicht mehr hörten.
Das mußte einmal gesagt sein.

  1. Zwischenzeitlich kündigte die Staatsoper an, daß Hila Fahima in den verbleibenden Ariadne-Vor­stellungen die Partie der Zerbinetta übernehmen wird. (Das ist eine gute Nachricht für die Besucher der Carmen-Vorstellungen: In diesen wird Ileana Tonca die Frasquita singen. Für die Besucher der kommenden Ariadne-Vorstellungen jedoch: — eher nicht.)

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