Richard Strauss:
» Ariadne auf Naxos «
Wiener Staatsoper
Von Thomas Prochazka
II.
Wenig verstanden … Was kann, zumal in den Zeiten der Omnipräsenz in den (a-)sozialen Medien, vergnüglicher sein als zuzusehen (und -zuhören), wie ein Reicher sich mit seinem nicht vorhandenen (Kunst-)Verständnis bloßstellt? Der Haushofmeister, so blasiert er uns erscheinen mag, bleibt dennoch ein Domestik — und Diener seines Herrn. Doch Bernhard Schirs Haushofmeister blieb das Wienerische verschlossen. Wiewohl Österreicher, spielte er zu gerade; zu » deutsch «. Auch: zu hart im Ton. Baden-Baden, nicht k.u.k. Reichs-, Haupt- und Residenzstadt … Hofmannsthals Pointen speisen sich auch aus der Wiener Sprachfärbung; dem Hochnäsigen des alten Wiener Dialekts, der Überhöhung des Schönbrunner-Deutsch. Erst dann wird die Wiener Hinterfotzigkeit eine liebenswert authentische.
III.
Adrian Eröd gab einen immer gut verständlichen Musikmeister mit klarer Diktion. Zwar variierte er an jenem Abend die Lautstärke nicht allzu viel, doch blieb er so durchwegs über dem vom Mann am Pult selten im Zaum gehaltenen Orchester hörbar.
Dasselbe kann ich von seinem Schüler nicht berichten: Kate Lindsey überzeugte mich als Komponist nicht. Kaum einmal gelang ihr eine Phrase; doch auch im deutschen Fach sollte auf Linie gesungen werden. Legato, die Basis jeden klassischen Gesanges, erwies sich an diesem Abend einmal mehr als rares Gut …
Der Übergang zwischen Lindseys unterer und oberer Stimmfamilie umfaßte gefühlt eine Quint anstatt der kleinen Terz. Immer wieder klang dieses Komponisten Stimme verspannt und eng. Zu oft gingen Silben in den an das Ufer der wüsten Insel schlagenden Orchesterwellen unter. Die Textdeutlichkeit der Amerikanerin ließ auch an diesem Abend zu wünschen übrig. Doch Wortverständlichkeit ist nicht Selbstzweck, sondern das Ergebnis technisch korrekten Singens.
Richard Strauss komponierte die Partie des Komponisten übrigens für einen Sopran (wenngleich mit funktionierender Tiefe), keinen Mezzosopran moderner Prägung. D.h., er wollte die helle Stimmfarbe des oberen Registers der Sängerin dieser Partie hören.
Thomas Ebenstein lieh dem Tanzmeister eine trockene, immer wieder abgedunkelte Stimme. Wie Adrian Eröd begnügte auch er sich mit wenigen Variationen in der Lautstärke. Dafür outrierte er, daß es keine Freude mehr war; — Sven Eric Bechtolfs Ansinnen hin oder her. Dessen einstens für Salzburg geschaffene Regiearbeit wird nicht besser dadurch, daß man sie immer wieder einmal auf den Spielplan setzt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß uns diese Produktion jenen der Roščić-Jahre haushoch überlegen scheint.
IV.
Die Zerbinetta der Sara Blanch entpuppte sich bei längerem Hinhören als jene Enttäuschung, welche sie auch an kleineren Häusern wäre. Selbst in der Mittellage entwickelte sie keine Gesangslinie. Dieser Mangel war bereits im Duett mit dem Komponisten zu hören. Immer wieder hörte ich Intonationstrübungen. In der tiefen Lage mußte Blanch mehrere Male auf ihre Sprechstimme zurückgreifen. Daß sich diese dunkler und kräftiger anhörte als Blanchs Gesangsstimme: ein nicht zu leugnender Hinweis auf unzureichende Gesangstechnik. (Hört man solches heute in Besetzungsbüros nicht mehr?) Die Koloraturen dieser Zerbinetta: ungenau und verschliffen. Blanch bildete (nicht nur in diesen Passagen) die Töne durch ihre Mundstellung anstelle im Kehlkopf. Doch wie soll eine Sängerin ihr Heil im Spiel suchen ohne ein funktionierendes Instrument?
V.
Michael Spyres sang zum ersten Mal in Wien die Partie des Bacchus. Auffallend war seine Bühnenpräsenz. Die Tongebung war kompakt, die Mittellage gut entwickelt, der Stimmdruck blieb auch in den piano notierten Passagen hoch genug (wenn Spyres denn die Vorgaben befolgte). Die Stimme des Amerikaners klang auch über dem passaggio dunkel. Allzu viele Farben scheinen diesem Bacchus nicht zu Gebote zu stehen. Die Spitzentöne, im Ende der Maßstab dieser Partie, wurden zwar erreicht, doch fehlte ihnen das Jubelnde, die helle, freie Tongebung alter Meister.
VI.
Und Lise Davidsen? Sie hatte im November 2017 als Ariadne an der Staatsoper debutiert. Auf Grund ihrer Schwangerschaft diesmal vorsichtig in ihren Bewegungen, fiel sie immer wieder für Momente aus der Rolle. Davidsen ist im deutschen Fach hörbar besser aufgehoben als im italienischen. Man ist heute so daran gewöhnt, bei Strauss und Wagner auf stringente Linien verzichten zu müssen, daß jeder Anflug einer solchen bereits positiv vermerkt werden soll.
Die Norwegerin klang in manchen Situationen, als werde sie von der Mächtigkeit ihrer eigenen Stimme überrascht. Davidsen verfügt, zumal für heutige Verhältnisse, über ein großes, allerdings unebenmäßig entwickeltes Instrument. So klangen manche piani kraftlos, ohne den notwendigen Stimmdruck; andere wiederum waren gut in die Phrasen eingebunden. Es war ein Schönes
geriet zum Höhepunkt von Davidsens Tun: Da stimmte die Linie, da glitt die Stimme mühelos von einem Ton zum nächsten. Anderes, z.B. im Duett mit Bacchus, klang (noch) unfertig. Bei Du sprachst von einem Trank
beispielsweise setzte die Norwegerin vor » Trank « eine kurze Pause, anstatt die Linie fortzuführen. Ähnliches begab sich des öfteren; — übrigens auch bei ihrem Bacchus. Manierismen.
Ich wünschte, Davidsen gelänge es, ihr Instrument zu zähmen; ihr Potential in größerem Maße auszuschöpfen. Sie hätte uns Vieles zu geben.
VII.
Cornelius Meister verantwortete am Pult des Staatsopernorchesters eine rauhe, zum Teil im Zusammenspiel unsaubere Wiedergabe dieser doch an Delikatem reichen Partitur. Zuwenig differenziert klang das, was da aus dem Graben kam. Immer wieder trat z.B. das Harmonium in den Bacchus-Szenen übermäßig hervor, fehlte es an der orchestralen Balance. Das Orchester spielte an besagtem Abend im Repertoire-Modus: ein bisserl zu schlampig, ein bisserl zu unexakt, ein bisserl zu grob.
Es hängt im Ende doch vieles vom Dirigenten ab, nicht wahr?